Ansicht Schwerkriegsbeschädigtenausweis Bernhard Bischler, 1958

DER SEHER VOM KINZIGTAL

Schaufensterreihe IGGP-Archiv # Nr. 8

Autor: Uwe Schellinger

Ansicht Schwerkriegsbeschädigtenausweis Bernhard Bischler, 1958
Abb. 1. Schwerkriegsbeschädigtenausweis von Bernhard Bischler, 1958 (Archiv des IGPP, 10_16_1)

Bernhard Bischler (1884-1965) aus dem kleinen Schwarzwaldort Fußbach im Tal der Kinzig (Ortenaukreis) hatte seit Mitte der 1940er Jahre für die beiden folgenden Jahrzehnte eine besondere Funktion für die Bevölkerung der Talregion. Für viele wurde Bischler zu einer wichtigen Ansprechperson, wenn es darum ging, verschwundene Objekte oder entlaufene Tiere wiederzufinden, Informationen über vermisste Angehörige zu erhalten oder auch Diebstähle aufzuklären. Bischler, der aufgrund einer Verletzung aus dem ersten Weltkrieg stark gehbehindert war und zudem zunehmend erblindete, galt wegen seiner ihm zugeschriebenen paranormalen Fähigkeiten als der „Seher vom Kinzigtal“. Täglich empfing er Ratsuchende aus der näheren oder weiteren Umgebung. 1954/1955 stand Bischler auch in Kontakt mit dem IGPP und Hans Bender, von dem er sich eine Bestätigung für seine hellseherischen und präkognitiven Fähigkeiten erhoffte. Dazu ließ er Bender einige positive Bestätigungsschreiben von Hilfesuchenden zukommen.

Bestätigungsschreiben von Hans Bender, August 1954
Abb. 2. Bestätigungsschreiben über die Fähigkeiten von Bernhard Bischler, August 1954 (Archiv des IGPP, E_23_1010)

Neben seiner Funktion als paranormaler Ratgeber im Alltagsangelegenheiten verkündete Bischler bei einigen spiritistischen Sitzungen zahlreiche, zumeist religiös ausgestaltete Neu-Offenbarungen. Bischler, behauptete, im Trancezustand mit verstorbenen prominenten Personen aus der (Religions) Geschichte in Kontakt treten zu können – so etwa mit dem Hl. Joseph, mit dem ein oder anderen Papst oder auch mit Albert Einstein.

Aufgeschlagenes Heft über Aufzeichnungen medialer Durchsagen
Abb. 3. Heft mit handschriftlichen Aufzeichnungen medialer Durchsagen von Bernhard Bischler (hier der Hl. Josef), November 1944 (Archiv des IGPP, 10_6_4)
Maschinenschriftliche Transkripte medialer Durchsagen
Abb. 4. Maschinenschriftliche Transkripte medialer Durchsagen von Bernhard Bischler, 1954–1958 (Archiv des IGPP, 10_6_15)

Der „Seher vom Kinzigtal“ kann als Beispiel für viele ähnlich verfasste Biographien gelten, die man aus dem ländlichen Kontext kennt: Hellseher, personale Medien, Wunderheiler – außergewöhnliche Instanzen im dörflichen Zusammenhang und oft durchaus von Bedeutung für dessen Gefüge. Dennoch geriet Bernhard Bischler nach seinem Tod im April 1965 bald völlig in Vergessenheit. Seit 2005 befinden sich als Schenkung aus dem Familienumfeld größere Teile von Bischlers Nachlass, darunter mehrere Hundert Aufzeichnungen und Transkripte der durch ihn vermittelten vermeintlichen Botschaften aus Jenseits, als eigener Bestand im IGPP.


Im IGPP ausgestellte Objekte:

Schwerkriegsbeschädigtenausweis von Bernhard Bischler (1958)

(Archiv des IGPP, 10/16_1)

Bestätigungsschreiben über die Fähigkeiten von Bernhard Bischler mit Versandkuvert an Hans Bender (August 1954)

(Archiv des IGPP, E/23_1010)

Heft mit handschriftlichen Aufzeichnungen medialer Durchsagen von Bernhard Bischler (hier der Hl. Josef) (November 1944)

(Archiv des IGPP, 10/6_4)

Maschinenschriftliche Transkripte medialer Durchsagen von Bernhard Bischler (1954-1958)

(Archiv des IGPP, 10/6_15)

Quelle der im Text verwendeten Objekte mit ihrer Archivsignatur.

Quelle:

IGPP-Archiv_Schaufenster_Der Seher vom Kinzigtal

Literatur (in Auswahl):

Eva Magin-Pelich: Seher und Lebensberater: Bernhard Bischler, in Gengenbacher Blätter 2007, 22-23.

Uwe Schellinger: Integrierte Außenseiter. Bernhard Bischler (1884-1965), der „Seher vom Kinzigtal“, in A. Morgenstern/U. Scherb (Hg.): Leben am Rand ?! Geschichten aus Südbaden (Lebenswelten im ländlichen Raum – Historische Erkundungen in Mittel- und Südbaden 6), Heidelberg u.a. (verlag regionalkultur) 2020, 75-100.


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